Pressestatement zum Bruch der Koalition in Bergisch Gladbach

FDP bricht schriftliche Zusage im Koalitionsvertrag – Eine soziale Stadtentwicklung und bezahlbares Wohnen sind für uns nicht verhandelbar.

Foto: Peter van Loon

Bergisch Gladbach, 22. November 2022  

Pressestatement der Ratsfraktionen von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN und SPD Bergisch Gladbach

FDP bricht schriftliche Zusage im Koalitionsvertrag – Eine soziale Stadtentwicklung und bezahlbares Wohnen sind für uns nicht verhandelbar

Wenn wir auf die Arbeit der letzten zwei Jahre als Ratsmehrheit zurückblicken, können wir mit Selbstbewusstsein feststellen: Wir haben Klimaschutz und Mobilität, die Sanierung der maroden städtischen Infrastruktur, den Aufbruch der Stadt Bergisch Gladbach in die digitale Zukunft und eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Stadtentwicklung in den Mittelunkt unserer Arbeit gestellt. Diese Politik haben wir den Bürgerinnen und Bürgern vor der Kommunalwahl angeboten und für diese Politik haben wir ein deutliches Mandat erhalten. Und wir haben in diesen Themen geliefert.

Bezahlbares Wohnen als zentrales Wahlversprechen

Ein zentrales Wahlversprechen aller drei Parteien, festgehalten im bereits vor der Wahl von allen Mitgliederversammlungen der Ampelparteien beschlossenen Grundlagenpapier (2019), war die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum. So hieß es dort unter der Zwischenüberschrift „Neuen bezahlbaren Wohnraum schaffen“:

„Große Neubauprojekte „auf der grünen Wiese“ sind also realistischerweise nicht in Sicht. Das darf aber nicht bedeuten, dass die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum ins Leere läuft. […] Die Konversionsprojekte „Steinbüchel“, „Wachendorff“ und „Cox“ werden ebenfalls neuen bezahlbaren und in erheblichem Teil sozial geförderten Wohnraum schaffen. Vor allem aber für das Zanders-Gelände muss zukünftig zeitgemäßer und bezahlbarer Mietwohnraum geplant und realisiert werden.“[1] (Seite 6)

Dieses klare Bekenntnis zum bezahlbaren Wohnen in unserer Stadt ist und war für uns Geschäftsgrundlage. Das zeigt sich nicht zuletzt in der klaren Sprache des beschlossenen Koalitionsvertrags. Dort heißt es deutlich und unmissverständlich:

Bei der Ausweisung von neuen Bebauungsplänen werden wir einen Anteil von mindestens 30% gefördertem und 30% preisgedämpften Wohnungsraum anstreben. (Zeilen 229-231) [2]

Das Handlungskonzept Wohnen als Schlüssel zu einer sozialen Stadtentwicklung

Entscheidender Schlüssel um dieses Ziele zu erreichen ist das, seit Jahren von der Stadtverwaltung vorbereitete und jetzt zur Abstimmung stehende, Handlungskonzept Wohnen (Baulandbeschluss). Dreh- und Angelpunkte des Konzepts ist neben der Festlegung von wohnungspolitischen Zielen die verbindliche Festlegung von Quoten öffentlich geförderten Wohnraums bei neuen Planvorhaben. Vorgeschlagen wird, gemäß dem vom renommierten Büro Quaestio erarbeitenden Konzept, die verpflichtende Quote von 30% geförderten Wohnungsbaus.

Ohne solche verbindlichen Quoten, die deutschlandweit und in unserer Region gelebte Praxis sind, lassen sich die Ziele aus dem Koalitionsvertag nicht umsetzen. Das zeigen nicht zuletzt die über alle Parteigrenzen hinweg erfolgten Beschlüsse in vielen deutschen Kommunen. Es ist das einzig wirksame kommunalpolitische Instrument zur Einwirkung auf den angespannten Wohnungsmarkt. Unter verantwortungsvoller Politik verstehen wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel auszunutzen um in Bergisch Gladbach ausreichend bezahlbaren Wohnraum anzubieten.

Unsere Stadt muss für alle Menschen bezahlbar sein!- Baulandpolitik ist Generationenpolitik.

Die Vorschläge die jetzt auf dem Tisch liegen sind nicht das Ergebnis vermeintlicher grün-roter Ideologie, sondern sind von renommierten Experten auf Basis vertiefter und ausführlicher Untersuchungen erarbeitet worden. Die eindrückliche Botschaft: Ein Baulandbeschluss ist außerordentlich wichtig. Die Bergisch Gladbacher müssen sich Wohnen hier noch leisten können. Der Wohnungsmarkt in unserer Stadt ist aus den Fugen geraten. Hinzu kommt der bald anstehende Wegfall von Sozialwohnungen aus der Preisbindung! Ein einfaches Laufenlassen dieser Situation würde zu einer noch eklatanteren sozialen Schieflage in unserer Stadt führen. Das ist keine Parteipolitik, das ist die von vielen Experten bestätigte Realität.Der jetzt zur Entscheidung vorliegende Baulandbeschluss ist von seinem Wirkungszeitraum auf Jahrzehnte angelegt. Er kann sich nicht nur an aktuellen Situation ausrichten-er ist vielmehr eine strategische Weichenstellung für die Zukunft unserer Stadt. Baulandpolitik ist Generationenpolitik. Aus diesen Gründen ist der Grundsatzbeschluss gerade jetzt richtig.

In vielen Gesprächsrunden mit den Liberalen haben wir versucht eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dabei stand für im Vordergrund in diesen stürmischen Zeiten eine Koalition beisammenzuhalten.

Um auf die geäußerten Bedenken der FDP einzugehen, sind wir in einem gemeinsamen Kompromissvorschlag auf die Liberalen zugegangen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dieser beinhaltete nicht nur eine ständige Evaluation des Baulandbeschlusses, sondern auch Ausnahmen von der 30%-Quote bei kleineren Bauvorhaben und eine Öffnungsklausel, die ein Abweichen von dem Baulandbeschluss erlaubt hätte, wenn objektiv nachgewiesene Besonderheiten es zwingend geboten hätten individuelle Lösungen zu erarbeiten.

FDP nicht kompromissbereit

Der Investor des Bauvorhabens „Wohnen an der Strunde“ hat in harten Verhandlungen zugesagt 30% geförderten Wohnraum zu errichten. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass das Handlungskonzept Wohnen der Stadt ebenso eine solche Quote vorsieht. Ein Nein zum Handlungskonzept Wohnen ist also gleichbedeutend mit einem Nein zum Wachendorff-Projekt in seiner gegenwärtigen Form, wie es Politik und Bürgerschaft vorgestellt wurde. Selbiges gilt für die Entwicklung aller zukünftigen Investorenprojekte. Hier müssen wir ausreichend bezahlbaren Wohnraum schaffen um die sich noch weiter verschärfende soziale Schieflage auf dem Wohnungsmarkt in unserer Stadt abzuwenden. Um jedoch in Verhandlungen mit potentiellen Investoren ein Mittel in der Hand zu haben dieses Ziel auch zu erreichen, braucht es den Baulandbeschluss. Es muss endlich Schluss gemacht werden damit, dass Investoren und nicht die Stadt die Stadtentwicklung bestimmen.

Wir bleiben den Zielen des Koalitionsvertrages treu

Für uns hat die FDP mit ihrem Verhalten den Koalitionsvertrag an einer für uns entscheidenden Stelle gebrochen. Das Aufkündigen des gemeinsamen Vertrages an einem solchen zentralen politischen Punkt ist für uns gleichbedeutend mit dem einseitigen Verlassen der Koalition. Wir bleiben der politischen Grundrichtung und den Zielen des Koalitionsvertrages treu und sind gewillt, mit allen demokratischen Kräften des Rates, der Stadtverwaltung und Bürgermeister Frank Stein weiter Politik für die Menschen unserer Stadt zu gestalten. Klimaschutz und Mobilität, die Sanierung der maroden städtischen Infrastruktur, der Aufbruch in die digitale Zukunft und eine ökologisch nachhaltige und zukunftsgerichtete Stadtentwicklung nehmen keine Rücksicht auf Koalitionen- sie müssen angegangen werden. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns. Zurecht.


[1] https://spd-gl.de/wp-content/uploads/2019/10/20191019Grundlagenpapier_SPD_GRUENE_FDP_mit_Unterschriften.pdf

[2] https://www.gruene-bergischgladbach.de/koalitionsvertrag-2020-2025-mit-spd-fdp-im-stadtrat-bergisch-gladbach/

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